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Biographie        

11. Juli 1925

Harry Gustaf Nikolaj Gädda (wegen der internationalen Karriere wurde daraus Nicolai Gedda) wird in Stockholm geboren. Die Eltern sind Nikolaj Gädda und Clary Linnea Lindberg. Da die beiden aber bettelarm sind und nirgendwo Platz für den kleinen Nicolai ist, entschließen sie sich, ihn in ein Waisenhaus zu geben. Da bietet sich die Schwester des Vaters, Olga Gädda, an, das Kind bei sich aufzunehmen und großzuziehen. Einige Jahre später wird sie einen jungen Mann, Michail Ustinoff, kennenlernen. Die beiden werden heiraten und Nicolai Gedda wie ihren eigenen Sohn aufziehen. Gedda selbst sah die beiden immer als seine wahren Eltern an und wollte von seinem leiblichen Vater nie etwas wissen.

 

Olga Gädda

Der Vater Olgas (und auch Nikolajs), Nicolai Geddas Großvater, war Gustaf Gädda aus Südschweden. Er war Graveur in Riga und heiratete ein Mädchen namens Anastasia aus Pskov (südwestlich von Leningrad). Olga arbeitete in Moskau als Maschinenschreiberin. Da sie einen schwedischen Paß hatte, floh sie vor der Revolution in Rußland 1917 nach Stockholm.

Geddas Eltern Olga Gädda und Michail Ustinoff - Eltern.jpg

Michail Ustinoff

Geddas "Papa Mischa" stammte aus Nowotscherkassk (nördlich von Rostow). Auch er  floh vor der Revolution und zwar nach Konstantinopel, wo er Baßist bei den Kubankosaken (eine andere Chorvariante als die berühmten Donkosaken) wurde. Bei einer Tournee des Chores traf Michail nach einem Konzert in Stockholm Olga Gädda, und die beiden heirateten.

 

1929

Als Nicolai Gedda vier Jahre alt wird, zieht die Familie nach Leipzig, wo Vater Michail Kantor und Chordirigent der Gedächtniskirche wird. Das Schwedisch, daß Gedda kann, vergißt er schnell, da im Elternhaus Russisch und ansonsten Deutsch gesprochen wird. Besondere Freude bereitet ihm immer, im Chor mitzusingen, in dem er die Tenorstimme singt. Vor allem an den Festtagen ist er immer glücklich, mit den Erwachsenen zusammen singen zu dürfen. Frühzeitig wird der Gesang für Gedda eine ganz natürliche Ausdrucksform neben der Sprache. Sein Vater bringt Gedda frühzeitig singen und Noten lesen bei, so daß Gedda schon als Fünfjähriger Noten vom Blatt lesen kann. Außerdem unterrichtet er ihn in Russisch, Mathematik und Religion. Seinen Eltern ist von Anfang an eine gute Grundausbildung Geddas wichtig. Vor allem sein Vater ist sehr streng und autoritär. Zwar verdankt Gedda seinen Eltern eigentlich fast alles, da sie gerade in musikalischer Hinsicht frühzeitig die Weichen gestellt haben. Dennoch führt Gedda seine spätere Schüchternheit und Angst vor Streitereien (vor allem in seinen zwei unglücklichen Ehen) auf diese übermäßige Strenge zurück. Gedda beim Singen mit seinem Vater am Harmonium - KindGedda2.jpg

 

Mai 1934

Inzwischen ist Hitler an die Macht gekommen, und Olga ist durch die Aufmärsche der Nazis unruhig geworden. Daher beschließt sie, mit Nicolai Gedda Deutschland zu verlassen und nach Stockholm zurückzukehren. Geddas Vater kommt erst einige Monate später als staatenloser Flüchtling nach. In Schweden aber herrscht große Arbeitslosigkeit, so daß es Geddas Eltern sehr schwer in diesen Jahren haben. Während seine Mutter Bettwäsche näht, nimmt sein Vater eine Stelle als Chorleiter in einer russischen Kirche an.

 

Familie Gedda - KindGedda1.jpg

 

Herbst 1934

Nicolai Gedda kommt in die dritte Volksschulklasse in Stockholm. Da er aber nur noch Deutsch und Russisch kann, wird er von den anderen Kindern gehänselt und über den Schulhof gejagt. Gedda wird deshalb immer zurückgezogener und unglücklicher. Erst als er besser Schwedisch sprechen kann und als er später in die Realschule kommt, bessert sich das Verhältnis zu seinen Mitschülern.

 

1939 - 1942

Die Entwicklungsjahre sind für Gedda sehr bedrückend. Singen kann er überhaupt nicht mehr, da er seit dem Stimmbruch nur noch ein Krächzen herausbringt. Nach einem Wachstumsschub fühlt er sich unbeholfen und weiß nie, wohin mit seinen langen Armen und Beinen. Außerdem versteht er immer besser die finanzielle Not der Eltern, die ihn schwer belastet. Erst mit 17 Jahren hat er diese Phase überwunden, und plötzlich ist seine frühere Tenorstimme wieder da.

 

1943 / 1944

In der Schule tut sich Gedda vor allem bei den Sprachen immer recht leicht, lediglich mit Mathematik weiß er wenig anzufangen. Durch seine Suche nach der eigenen Identität hatte Gedda angefangen, Bücher zu lesen. Ihn faszinieren vor allem die russischen Klassiker. Dies geht so weit, daß er die Schule derart vernachlässigt, daß er das letzte Schuljahr sogar wiederholen muß.

 

1945

Geddas Eltern haben große finanzielle Schwierigkeiten. Im Frühjahr macht Gedda sein Abitur. Noch hat er nicht vor, Sänger zu werden. Dennoch hört er gerne im Radio Opernübertragungen an. Seine Favoriten sind die Tenöre Jussi Björling, Beniamino Gigli, Helge Rosvaenge und Richard Tauber.

 

1946

Im Frühjahr wird Gedda zum Militärdienst einberufen. Die erste Zeit ist für ihn wie ein Alptraum. In der Freizeit singt er viel mit Kameraden oder in einer nahe gelegenen Kirche.

 

1949

Nicolai Gedda mit seinem Lehrer Martin Öhmann - Oehmann.jpg Nach dem Wehrdienst wird Gedda Angestellter bei einer Bank. Mittlerweile kommen ihm erste Gedanken, seine Stimme ausbilden zu lassen. Bei einem Gespräch mit einem Kunden wird ihm der frühere Heldentenor der Berliner Städtischen Oper, Carl Martin Öhmann, empfohlen.

 

Herbst 1949

Gedda nimmt erste Gesangsstunden bei Öhmann. Von ihm kann er noch viel lernen, vor allem was die Atemtechnik, Registerwechsel und das richtige Decken der Stimme betrifft. Durch ihn ermuntert, nimmt Gedda an einem Gesangswettbewerb teil und gewinnt das mit 3000 Kronen dotierte Christine-Nilsson-Stipendium. Von nun an braucht er sich zumindest keine Sorgen um die Bezahlung der Unterrichtsstunden zu machen.

 

1950

Zusätzlich wird Gedda Schüler der Musikalischen Akademie und der Opernschule.

 

8. April 1952

Man hat Gedda die Rolle des Chapelou aus Adams Le Postillon de Lonjumeau angeboten, mit der er mit überwältigendem Erfolg in Stockholm debütiert und auf einen Schlag bekannt wird.

 

Mai 1952

Der EMI-Produzent Walter Legge läßt sich in Stockholm von mehreren Tenören vorsingen, da er einen Tenor für eine Aufnahme von Mussorgskys Boris Godunow sucht, der möglichst gut Russisch singen kann. Als er Gedda singen hört, ist er sofort begeistert und engagiert ihn. An Karajan telegrafiert er, er habe gerade den größten Mozart-Sänger seines Lebens gehört.

 

Juni 1952

Karajan ist auf Gedda aufmerksam geworden und lädt ihn nach Mailand zu einem Vorsingen ein. Sofort erhält Gedda einen Vertrag für Mozarts Don Giovanni und Orffs Trionfo di Afrodite. In Paris finden anschließend die Aufnahmen zu Boris Godunow mit Boris Christoff statt. In Paris lernt Gedda auch ein Mädchen kennen, die Tochter russischer Emigranten ist.

 

Herbst 1952

In Rom singt Gedda unter Karajan in Strawinskys Oedipus Rex. Von nun an wird Gedda mit Konzertangeboten geradezu überhäuft.

 

28. Januar 1953

Gedda debütiert an der Mailänder Scala mit Don Giovanni unter Karajan. Ein Monat später folgt die Uraufführung von Orffs Trionfo di Afrodite. In Kopenhagen singt er in der Matthäuspassion mit, in Paris in Gounods Faust.

 

5. Juli 1953

Nicolai Gedda heiratet das Mädchen, das er in Paris kennengelernt hat. Ihm ist aber nicht ganz wohl dabei, da es schon im Vorfeld der Hochzeit Streitereien gab, so daß Gedda sie beinahe schon abgesagt hätte.

 

12. Februar 1954

In Webers Oberon debütiert Gedda in der Pariser Oper. Während seine berufliche Karriere steil nach oben führt, nehmen die privaten Spannungen in seiner Ehe zu. Es kommt schließlich zum Bruch zwischen seinen Eltern und seinen Schwiegereltern.

 

April  1954

Mit Verdis Rigoletto debütiert Gedda in Covent Garden. Anschließend singt er Mozarts Zauberflöte in Paris. Es folgt eine derarte Vielzahl von Aufführungen an allen führenden Opernhäusern der Welt (Covent Garden, Scala, Met, Pariser Oper, Wien, Salzburg, Berlin, München, Rom, selbst Tokio und viele andere), daß hier nur die wichtigsten angeführt werden.

 

Sommer 1956

Nach vielen Reibereien in der Ehe bemüht sich Gedda um die Scheidung. Da seine Frau aber ihren "Mann mit Zukunft" nicht hergeben will, zumindest aber sich teuer bezahlen lassen will, entwickelt sich ein langwieriger Prozeß in Frankreich, der zehn Jahre andauern wird.

 

1956 / 1957

Gedda gibt ein längeres Gastspiel an der Stockholmer Oper, an der debütiert hatte.

 

Februar 1957

Eine längere Konzerttournee führt Nicolai Gedda nach Kanada und Ende März in die USA.

 

1. November 1957

Mit Gounods Faust debütiert Gedda in New York, im größten Opernhaus der Welt, der Metropolitan Opera. An der Met singt Gedda insgesamt 27 verschiedene Rollen in 26 Spielzeiten.

 

Januar 1958

Geddas Lehrerin Paola Novikova - Paola.jpg Samuel Barbers Vanessa wird mit Gedda in der Met uraufgeführt. Da er seine Gesangsstudien nun nicht mehr in Stockholm bei Öhmann weiterführen kann, setzt er sie bei Paola Novikova, einer russisch-amerikanischen Gesangspädagogin fort, die noch bei Mattia Battistini studiert hat. Bei beiden Lehrern studiert Gedda insgesamt ohne Unterbrechung 15 Jahre lang.

 

Oktober 1963

Nach längerer Krankheit stirbt Geddas Vater, Michail Ustinoff.

 

1966

Mit großem Erfolg singt Gedda in Stockholm den Lohengrin. Da er aber merkt, daß die Wagnerpartie seiner Stimme nicht guttut, sagt er sogar seinen Auftritt in Bayreuth ab, wofür er schon engagiert war. Seitdem singt er nie wieder Wagner.

 

1968

Nicolai Gedda wird schweizer Staatsbürger. Er richtet sich eine kleine Villa in Tolochenaz bei Morges am Genfer See her.

 

1977

Nach langen Nachforschungen hat Gedda die Adresse seiner leiblichen Mutter herausgefunden. Obwohl er es irgendwie als Verrat an seiner Mutter Olga ansieht, besucht er seine leibliche Mutter Linnea Lindberg.

 

1983

Mit Kiri Te Kanawa gibt Gedda seine letzte Vorstellung an der Met in Verdis La Traviata.

 

Januar 1985

Geddas Mutter stirbt im Alter von 92 Jahren.

 

Oktober 1996

Nachdem man Gedda dazu überredet hat, singt er zum ersten Mal in Australien. Wegen einer schweren Entzündung des Halses und der Stimmbänder muß er aber vorzeitig nach Hause zurückkehren.

 

28. Januar 1997

Seine letzte Opernrolle überhaupt ist der Patriarch Abdisu von Assyrien aus Pfitzners Palestrina in Covent Garden.

 

Mai 1997

Nachdem auch eine zweite überstürzte Ehe bald wieder geschieden wurde, verlobt Gedda sich mit Aino Sellermark, seiner ersten wirklichen Liebe. Mit ihr zusammen verbringt er seinen Lebensabend in seiner Villa in der Schweiz. Dort genießt er die Natur und die Ruhe, er kann auf sein Lebenswerk zurückblicken und mit sich zufrieden sein. Ab und zu gibt er sogar noch Liederabende. Das letzte Wort erteile ich nun Nicolai Gedda selbst:

"Heute fühle ich mit meinen fast 75 Jahren ein ungeheures Glück, wenn ich morgens erwache und die Vögel draußen im Garten singen höre, wenn ich aufstehen und immer noch gesund und munter sein kann. Ich bin dankbar für jeden Morgen, an dem ich aufwache und meine Lebensgefährtin singen höre, wenn sie in den Zimmern umhergeht und sich zu schaffen macht. Ich begreife, daß man nicht in gleicher Weise wie früher etwas ersehnen kann, das in der Zukunft geschehen wird, da ich mir bewußt bin, daß die Zukunft dasselbe ist, wie ein Tag näher dem unausweichlichen Ende. Man kann nur demütig auf noch einen sonnigen Tag, vielleicht auf noch einen Frühling hoffen."

 

 

Wer sich näher für Nicolai Gedda interessiert und auch etwas über den Menschen Gedda herausfinden will, dem sei seine kürzlich erschienene Autobiographie empfohlen. In ihr erfährt man die Höhen und Tiefen eines Menschen, der aus sehr armen Verhältnissen stammt, durch seinen Gesang zum Weltstar wurde und dennoch immer sympathisch und ein einfacher, "braver" Mann geblieben ist.

Meine Biographie Geddas entstand zum größten Teil auf Grundlage dieses Buches.

 

Gedda_Buch.jpg (40024 Byte) Gedda, Nicolai:

Mein Leben - Meine Kunst

Aufgezeichnet von Aino Sellermark-Gedda

Berlin: Parthas Verlag GmbH, 1998

ISBN 3-932529-22-7